新潟学会国際会議の予稿集   参照数:6951
Themenbeschreibung

 

Zum Ziel setzt sich das Internationale Kolloquium der Japanischen Gesellschaft für Germanistik (JGG) nicht zuletzt, Germanistik aus speziell asiatischen Perspektiven zu entwickeln. Dabei wird mit angesprochen, dass die Germanistik je nach den kulturellen Perspektiven von Forschenden jeweils anders orientiert sein kann und dass kulturelle Standorte von Forschenden als konstitutive Bestandteile unserer Wissenschaft explizit zu berücksichtigen sind. So wird eine multikulturelle Vielfalt der Germanistik mitgedacht, die auf der Vielfalt der kulturellen Standorte von Forschenden basiert. Die „Germanistik in Asien“ kann, wenn sie von ihren eigenen Interessen ausgeht, eine andere sein als etwa die Germanistik in deutschsprachigen Ländern, für welche die Perspektiven und Interessen der deutschsprachigen Kulturräume konstitutiv sind und die deshalb ebenso, wie jede andere sogenannte „Auslandsgermanistik“, nur eine mögliche Art unserer Wissenschaft ausmacht.

  Gegenüber anderen Germanistiken kann die Germanistik in asiatischen Kulturräumen ihrerseits manche intrakulturellen Gemeinsamkeiten aufweisen. Sie wird aber selbst in Asien wegen dessen multikultureller Vielfalt sehr divergent auftreten, wenn sie jeweils von ihren eigenen Perspektiven und Interessen ausgeht und keine einseitige Angleichung an die deutschsprachige Germanistik anstrebt. 

 Je mehr aber die Germanistik in jeweiligen Kulturräumen ihren eigenen Weg einschlägt, desto schwieriger kann es für sie werden, gemeinsame Themen zu finden - gemeinsame Themen, für welche jeweils in der eigenen Kultur verwurzelte Germanistiken sich aus ihrer eigenen Perspektive heraus interessieren und welche für einige Germanistiken jeweils in eigener Weise aktuell erscheinen. Einerseits sollten wir Differenzen unter uns erkennen und durch komparatistische und/oder kontrastive Vergleichung sowohl uns selbst als auch andere besser verstehen, andererseits uns aber bemühen, durch fachliche Kommunikation gemeinsame Interessen und Themen zu entwickeln.

  Erwartet werden somit nicht nur Beiträge zur Klärung der oben skizzierten Problematik, sondern auch konkrete Fallstudien, die zu unserem gegenseitigen Verständnis beitragen und/oder jeweils eine substanziell fundierte fachliche Zusammenarbeit in Asien bzw. von asiatischen und ausserasiatischen Kulturräumen unter Berücksichtigung konkreter Multikulturalität in Gang bringen.

 

Sektion A1 (1)

 

Multikulturalität in der zentraleuropäischen Moderne. Ein interdisziplinärer Spezialforschungsbereich in Graz.

GOLTSCHNIGG, Dietmar (Universität Graz)

 

Nach einem kurzen Rueckblick auf die Genese des an der Grazer Karl-Franzens-Universitaet angesiedelten interdisziplinaeren kulturwissenschaftlichen Spezialforschungsbereichs „Moderne“ werden zunaechst die Begriffe „Zentraleuropa“ und „Moderne“ erlaeutert, sodann die Begriffe „Multi- und Interkulturalitaet“ (fuer deren Verstaendnis sich in bezug auf die Habsburgermonarchie neuerdings sogenannte „postkoloniale“ Forschungsperspektiven als ergiebig erweisen). Was das Verhaeltnis zwischen Moderne und sogenannter Postmoderne anbelangt, teilen wir mit etlichen Postmoderne-Theoretikern (namentlich J.-F. Lyotard) die Auffassung, dass in diesem multinationalen, multikulturellen und multilingualen „Laboratorium“ der Wiener und zentraleuropaeischen Moderne jüngste politische und ästhetische, oft als „postmodern“ etikettierte Phänomene vorweggenommen wurden: der Zerfall von staatlichen und kulturpolitischen Systemen, vielfältige Krisen individueller und kollektiver Identität, eine rückwärts gewandte Sehnsucht nach Mythologien und holistischen, bedrohte oder verlorene Einheiten wieder herstellenden Ideologien, Verschränkungen von Innovation und Tradition, eine Feminisierung der Kultur, eine Kritik an der verabsolutierten, instrumentellen Vernunft und anderes mehr. Aus dem Bereich der Literaturwissenschaft werden im einzelnen folgende Forschungsprojekte vorgestellt: Judentum und Antisemitismus, Traditions- und Rezeptionszusammenhaenge, Ästhetik der Moderne, Kulturtransfer und schreibende Frauen. Den Abschluss bildet ein Blick auf die beiden in der Moderne dominierenden Gattungen: Roman und Essay sowie auf die oft diagnostizierte sogenannte „Essayfizierung des Romans“.

 

 

Sektion A1 (2)

 

Deutsch-jüdische Literatur im 19. Jahrhundert : eine interdisziplinäre und multikulturelle Forschung

IKENAGA, Mamiko (Hosei-Universität,Tokyo)

 

Unter deutsch-jüdischer Literatur werden im Allgemeinen deutschsprachige literarische Werke verstanden, die von Autoren jüdischer Herkunft verfasst werden und sich mit spezifisch jüdischen Problemen und Themen auseinander setzen. Deutsch-jüdische Literatur begann Mitte des 18. Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert rekrutierten sich Autoren deutsch-jüdischer Literatur aus allen Gebieten der deutschen Länder und der Habsburger Monarchie. Im Mittelpunkt ihrer Werke stehen vor allem Themen wie aktuelle innerjüdische Reformdiskussionen in Mittel- und Osteuropa, rechtliche Benachteiligungen der jüdischen Bevölkerung in den nichtjüdischen Staaten und Konflikte zwischen Juden und nichtjüdischen Völkern, z.B. Deutschen, Polen und Tschechen. Vor diesem Hintergrund zeigt die deutsch-jüdische Literatur im 19. Jahrhundert einen in der deutschen Literaturgeschichte einzigartigen multikulturellen Charakter.

Ein nach meiner Ansicht besonderes interessanter Umstand ist, dass die Diskussionsthemen, die in dieser Literatur zum Ausdruck kommen, zugleich beispielhaft eine allgemein gültige und zeitlose Problematik der Integration einer Minderheit in der Mehrheitsgesellschaft beleuchten. Im Prozess der damaligen Judenemanzipation bringen die Autoren ihre Stellungnahme zur rechtlichen und gesellschaftlichen Lage der jüdischen Bevölkerung literarisch zum Ausdruck. So liefert die deutsch-jüdische Literatur im 19. Jahrhundert ein Zeugnis belebten Meinungsaustausches der jüdischen Intellektuellen über politische und gesellschaftliche Lege ihrer Glaubensgenossen. Dieses Dokument gibt uns einen Anlass, über heute noch existierende Diskriminierungen gegenüber ethnischen Minderheiten in einem Staat und über Probleme und Möglichkeiten der Völkerverständigung zu reflektieren.

 

Sektion A1 (3)

 

Utopischer Messianismus bei Kenzaburô Ôe. Inspiration aus Gershom Scholems „Sabbatai Zwi“

TAKAMOTO, Misako (Humboldt-Universität, Berlin)

 

Der prominente japanische Nachkriegsschriftsteller Kenzaburô Ôe benutzte für die messianische Gestalt, die wiederholt in seinem Spätwerk auftaucht, verschiedene literarische Modelle der westlichen Literatur. Von besonderer Bedeutung sind die Arbeiten Gershom Scholems zur jüdischen Mystik. Nach über zehnjähriger Beschäftigung mit ihnen schrieb Ôe den zweibändigen Roman "Chûgaeri". Ôe hat in der Öffentlichkeit insbesondere die Inspiration durch Scholems Buch "Sabbatai Zwi" hervorgehoben, das sich mit einem mystischen Messias aus dem 17. Jahrhundert beschäftigt, dessen Lehre trotz seines Übertritts zum Islam in der Geschichte des Judentums immer noch eine wichtige Rolle spielt. Ôe faszinierte das Buch nicht nur als seltsame Episode eines abtrünnigen Messias, sondern auch wegen der darin zum Ausdruck kommenden historischen Sicht des jüdischen Messianismus: Scholem beantwortet die Frage, warum die Lehre von Sabbatai Zwi trotz dessen Apostasie im Judentum Wurzeln schlagen konnte, mit der engen Verbundenheit des Messianismus mit der Tradition. Denn die sabbatianische Bewegung basiere trotz ihres revolutionären Anspruchs auch auf der dialektischen Auseinandersetzung mit der vorgängigen Tradition. Mit dieser paradoxen, restaurativ-utopischen Geschichtsauffassung im Kopf entfaltet Kenzaburô Ôe die Figur des Messias in seinem Werk. Darüber hinaus versucht Ôe, die produktive Spannung zwischen Tradition und Neue, die in der scholemischen Forschung zum Messianismus ihren Ausdruck findet, auch für mögliche Lösungen der Problematik seiner eigenen Kultur fruchtbar zu machen.

 

Sektion A1 (4)

 

Germanistik und Multikulturalität in Japan

MATSUDA, Kazuo (Nihon-Universität, Tokyo)

 

In meinem Referat handelt es sich zunächst um die Entwicklung der Germanistik in Japan und deren Bedeutung in der Kultur Japans. Im nächsten Schritt werden einige Merkmale der über 100 Jahre tradierten Germanistik Japans analysiert, und zwar auch hinsichtlich der „Auslands- germanistik“. In der letzten Stufe wird das Augenmerk auf die multi- bzw. interkulturellen Beiträge der Germanistik zur Kultur Japans gerichtet.

Seit der Restrauration 1868 bemühte sich die Regierung Japans um die Modernisierung und Industrialisierung des neu gegründeten Staates, wobei die europäischen Wissenschaften und Techniken in fast allen Bereichen eingeführt werden sollte, um die Staatssysteme wie Politik, Wirtschaft, Industrie, Erziehung usw. westlich auszurichten, zum Zweck, von westlichen Mächten unabhängig bleiben zu können. Zu diesen Disziplinen gehört auch Germanistik. Als erster Lehrstuhlinhaber für Germanistik an der Reichsuniversität Tokyo wurde Emil Hausknecht 1887 gerufen, dem Karl Florenz 1889 folgte.

Germanistik in Japan mit der Tradition von über einem Jahrhundert stellt nach wie vor zwar eines der bedeutendsten Fachbereiche für ausländische Literaturen in Japan dar, jedoch ist m. E. mit Vorsicht mit der Auslandsgermanistik umzugehen, die folgendermaßen definiert werden kann: Deutsche Literatur als fremde Literatur auf dem Hintergrund einer fremden Kultur. Während verschiedene Beiträge der japanischen Germanistik zur Kultur Japans zweifelsfrei zu bemerken sind, ist es umstritten, inwiefern sich die Interaktion zwischen der Germanistik Japans und der Germanistik in deutschsprachigen Ländern entwickelt hat.

Was die Multikulturalität angeht, ist die genaue Definition des Begriffs notwendig, um weiter die Beiträge der Germanistik zur Kultur Japans zu betrachten. Bedeutet die Multikulturalität das gleichberechtigte Zusammensein der unterschiedlichen Kulturen in einem Land? Oder die Koexistenz der verschiedenen fremdkulturellen Elementen in der Eigenkultur? Wenn die Multikulturalität im letzteren Sinne gemeint wäre, sollte vielleicht eher der Begriff Interkulturalität verwendet werden. Aus dieser Sicht werden Tawada Yoko und deren Tätigkeit betrachtet.

 

Sektion A2 (1)

 

Gerhart Hauptmann in Korea

ROH, Yeong-Don (Chung-Ang Universität, Seoul)

 

Gemeinhin gilt Gerhart Hauptmann (1862-1946) als der wichtigste Vertreter des deutschen Naturalismus. Seine naturalistischen Werke gestalten hauptsaechlich den Uebergang vom 19. zum 20. Jahrhundert und praegen bis heute das Bild des deutschen Naturalismus. Mit dem Wunsch nach einem realistischen Kunststil und mit dem neuen sozialen Bewusstsein hat er viel gemeinsam mit den anderen Naturalisten. Es ist vor allem das grosse Mitleidsgefuehl, das Hauptmann der neuen literarischen Bewegung nahestehend zeigt, da die sozial engagierten Naturalisten besonders in den Anfaengen ihre Aufmerksamkeit sowie mitleidende Haltung den sozial Entrechteten und Unterdrueckten widmen. Die sozialkritischen Merkmale der klassischen Moderne, die Hauptmann mit den anderen Naturalisten teilt, finden sich aber vor allen Dingen in der Behandlung eines tragischen (klein)buergerlichen Familienmilieus.

In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, auf der Basis von den Uebersetzungen und Auffuehrungen der Werke Hauptmanns sowie den Aufsaetzen in Korea Aufschluss ueber die Rezeptionsgeschichte zu geben und einige Probleme im Zusammenhang mit kulturellen und zeitgeschichtlichen Entwicklungen aufzugreifen. Die Untersuchung moechte zeigen, welche Dramen auf die Buehne gebracht, wie sie inszeniert wurden, welche Aktualitaet die jeweilige Auffuehrung ausdrueckt und ob die politische und soziale Wirklichkeit Koreas die Rezeption von Hauptmanns Dramen irgendwie beeinflusst hat. In deutschsprachigen Theatern wird nach der Wende jetzt oft versucht, seine Stuecke, die man laengst eingestaubt abgelegt geglaubt hat, in verschiedener Weise zu aktualisieren, was unter Rezipienten lebhaftes Interesse geweckt hat. Daher sollte man bei der Rezeption von Hauptmanns Dramen in Korea solche Aktualisierung mitberuecksichtigen.

 

 

Sektion A2 (2)

 

Produktive Lektüre der deutschen Literatur unter zen-buddhistischen Aspekten am Beispiel der „Kassandra“ von Christa Wolf

YIN, Zhihong (Universität Nanjin)

 

Der literarische Erfolg der Christa Wolf, die am 21. März den ersten Deutschen Bücherpreis für ihr Lebenswerk in Empfang wird, lässt sich nicht zuletzt darauf zurückführen, dass sie nie aufgehört hat, schreibend nach dem Ich, dem Subjekt zu suchen. Dieses „widersprüchliche“, „lebendige“ Ich1, als Schreibart ihre „subjektive Authentizität“2, welches ihr Werk kenn- und auszeichnet, erschließt seine verschiedenen Aspekte in der Kassandra, die weder durch das „moralische Ich“3 noch durch das „Ich als andere“4 zusammenzufassen oder zu erläutern sind, wie es in der Kritik festgestellt wird. Dieser Beitrag gründet in der Beobachtung, dass das Zentralthema der Kassandra, das Ich, bzw dessen Sehweise und Sprache allein unter Zuhilfenahme der westlichen literaturkritischen Theorie und des westlichen traditionellen Ich-Verständnisses eingeschränkt verstanden werden muss und dass Christa Wolf mit ihrer konsequenten Auseinandersetzung mit dem Objekt-werden und ihrer Kritik an der westlichen Denkweise viele Gedanken in der Kassandra formuliert und dargestellt hat, die sich dem östlichen Denken nähern und in diesem ergründet und entfaltet werden können. Der Ausgangspunkt ist die „innigste Subjektivität“5, in der Thematik und Schreibart der Kassandra vereint sind, und das Werk wird als ein gewagtes Projekt in einer auf objektive Wahrheit verpflichteten Welt gesehen.

Wolfs Kassandra steht hier für eine transzendierende Subjektivität, für das „Dritte“, um die Heldin es selbst formlieren zu lassen. Sowohl für Zen als auch für Christa Wolf ist es ein bedeutendes Kennzeichen der Subjektwerdung, sich vom Dualismum zu befreien. Kassandra, die einen „schmerzhaften Loslösungsprozess“(S.123), einen harten Ent-täuschungsprozess (去妄) „von den Eigenen“ durchmacht, entwickelt sich vom „Objekt fremder Zwecke“ zur „Autonomie“(S.151), zum Sich-selbst. Diese „Autonomie“, auf zen-buddhistische(chinesisch): 随処作主, 立処皆真(臨済), beduetet ein mehrdeutiges Ich mit der Un-bestimmt-heit, Unbeding-heit, d.h. mit dem freien Standpunkt, mit dem „nicht-festhaltenden Geist“ (于无住処生其心) des Zen,. Das von der wahnhaften ich-Festung (我執) befreite Subjekt gewinnt eine andere Wirklichkeitssicht, die überdualistische. Von dieser Subjektivität aus wird nichts diskriminiert; die feste Grenze zwischen Freund und Feind, Sieg und Niederlage, Troerin und Nicht-Troerin, zwischen schwarz und weiss, Gut und Böse hebt sich nun auf. Das ist Kassandras „Drittes“, das „lächelnde Lebendige“ und das Eins, die Nichtzweiheit des Tao und Zen, das nicht nur zwischen den Gegensätzen unmerklich existiert, sondern auch die Gegensätze in einer unsichtbaren Form vereint. Mit diesen persönlichen produktiven Erfahrungen, die die scharfe Unterscheidung überwinden und zu denen sie nicht ohne Verunsicherung und Erschütterung steht, befreit sich Kassandra von der herrschenden,, tötenden Entweder-Oder-Denkweise.

Das genaue Hinsehen, die Kontemplation gilt als die wesentliche, grundlegende Methode den Zen, die Logik, Analyse als eine objektivierend, tötende Methode kategorisch ablehnen. Der inneren Erfahrung mit ihrer Figur entsprechend, die Wolf beschreibt, halte ich die Methode des Zen auch für eine produktive Lektüre der „Kassandra“ für angebracht, während andererseits die Erfahrung mit mancher westlicher Kritik belehrt, dass man mit der „sezierenden“Analyse aufgrund eines Unverständnisses durch ungenaues Lesen immer wieder bei „Enweder-oder“ landet. In diesem Zusammenhang versucht diese Arbeit eine eigene Betrachtung der Erzählung zu unternehmen, und zwar in einem anderen Licht als dem bisherigen. Gedanken und Erfahrungen der Kassandra, die in anderem Lichte vage oder noch kaum wahrgenommen werden, könnten sich „im Wechsel des Lichts“(S.343) offenbaren. Die für widersprüchlich gehaltene Stimme, die sich nicht mit westlichem Logos in Einklang bringen lässt und sich unvermeidlich mit Missverständnissen konfrontieren muss6, könnte durch eine fernöstliche fremde Methode eher Verständnis und Erkenntnis finden als in der vertrauten abendländischen Denkweise.

 

1 Hier bezieht es sich auf das Geheimnis, das Kassandra von sich nennt: „Da von jedem etwas in mir ist, habe ich zu keinem ganz gehört“(S203) sowie ihre Definierung der „Lebendigkeit“:“Was ich lebendig nenne?...Das schwierigste nicht scheuen, das Bild von sich selbst ändern.“(S220)

2 Christa Wolf: Subjektive Authentizität. In: Ch.Wolf: Dimension des Autors. Band II, Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, 1983. S.317

3 Mechthild Quernheim: Das moralische Ich. Kritische Studien zur Subjektwerdung in der Erzählprosa Christa Wolfs. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1990. Im folgenden zitiert als Quernheim

4 Vgl. Bernhard Greiner:“Mit der Erzählung geh ich in den Tod“: Kontinuität und Wandel des Erzählens im Schaffen von Christa Wolf. In: angela drescher(Hrg.): Christa Wolf. Ein Arbeitsbuch. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, 1989. S.331-370. Im folgenden zitiert als Greiner

5 Der Mensch muss in seiner innigsten Subjektivität erfasst werden, meint Zen. Vgl. Toshihiko Izutsu: Philosophie des Zen-Buddihismus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Tschenbuchverlag, 1991.S.12. Im folgenden zitiert als Izutsu

6 Hiermit wird in erster Linie nicht die Rezeption des Buches gemeint, sondern die Rezeption der Kassandra durch die Leute um sie herum in der Erzählung. Kassandra drückt während der Erinnerung mehrmals ihren Schmerz um ihre Einsamkeit aus, die aus der Unaustauschbarkeit ihrer Erfahrungen resultiert(S.121, 203, 234, 302, 334). Darauf werden wir noch kommen.

 

 

Sektion A2 (3)

 

Noch einmal Thomas Mann und Tanizaki Junichirô. Die Romanenden von „Buddenbrooks“ und „Sasameyuki“. Ein Vergleich.

BUCHENBERGER, Stefan (Chuo-Universität, Tokyo)

 

Im Anschluss an die Untersuchung der Anfänge der beiden wohl wichtigsten Romane Thomas Manns und Tanizaki Junichirôs auf der letzten Herbsttagung in Matsumoto, möchte ich, um meine vergleichende Studie zu diesem Thema abzuschließen, diesmal das Augenmerk auf die Enden der beiden Bücher lenken.

Ein erfolgreicher Abschluss ist für einen Roman mindestens ebenso wichtig wie ein verheißungsreicher Auftakt. Schließlich soll ja der Leser des Buch mit einem Gefühl der Befriedigung beiseite legen und nicht dem Autor grollen, der ihn vielleicht über allerlei im Unklaren gelassen und seinen Plot nicht schlüssig zu Ende geführt hat.

Wie beenden die Autoren ihre Werke? Wie bringen sie den jeweiligen ziemlich umfangreichen Stoff ihrer beiden Romane in einer für den Leser befriedigenden Form zum Abschluss? Wie schließt sich der Kreis, der vor mehreren hundert Seiten mit den Anfangskapiteln begonnen hat? Welche Fragen sind beantwortet worden, und welche bleiben offen? Setzen sich die schon in den beiden Anfangskapiteln vorhandenen Unterschiede fort, oder bringen beide Autoren ihre Werke in ähnlicher Art und Weise zu Ende?

Noch einmal stellt sich die Frage, wie die beiden Autoren mit ihren Stoffen umgehen, sie an dieser spezifischen Stelle abschließen und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich dabei ergeben. Hierzu sollen die beiden Schlusskapitel, Sasameyuki dritter Band, 37. Kapitel in Eigenübersetzung und Buddenbrooks 11.Teil, viertes Kapitel miteinander verglichen werden.

 

Sektion A2 (4)

 

„Der Jasager“ oder die Problematik der Bearbeitung eines No-Stücks

TAKAHASHI, Sogo (Universität Tokyo)

 

Seit Jahren sind Brechts Lehrstücke trotz einiger großangelegten Arbeiten wie von Reiner Steinweg oder Klaus-Dieter Krabiel immer noch umstritten. Besonders umstritten sind beide Lehrstücke: Der Jasager und Die Maßnahme. Diese beiden haben das Thema gemeinsam, nämlich Einverständnis; Brechts selbst bezeichnet im Nachlaß Die Maßnahme als „Konkretisierung“ des Jasagers. Der Grund für den Streit liegt einerseits darin, daß man wegen mehrerer dunkler Textstellen den Jasager nicht so gut verstehen kann; diese Dunkelheit oder Unverstehbarkeit ist teils auf Brechts Bearbeitung, teils auf Arthur Waleys Übersetzung bzw. Nachdichtung zurückzuführen. Andererseits liegt der Grund für wissenschaftliche Kontroverse darin, daß es in der Forschung noch nicht gelungen ist, die Metapher von Tod/Sterben/Töten in Lehrstücken konsequent zu interpretieren.

Mit dem Tod/Sterben in Lehrstücken ist es metaphorisch gemeint. Der Mensch, der in der modernen, hochorganisierten sowie -technologisierten Gesellschaft lebt, ist „nichts“, anders gesagt, durch anderen Menschen ersetzbar; der moderne Mensch hat seine Substanz schon längst verloren, so daß er nur durch seine Funktion, die er in einer Organisation oder in einem Kollektiv ausübt, zu bestimmen ist. Um etwas zu blei- ben, muß der Mensch ein „Amt“ innehaben, oder einen „Auftrag“, den er vom „Gemein- wesen“ erhält, ausführen. Ein solches Menschenverständnis stellt Das Badener Lehr- stück vom Einverständnis dar. Der Tod bedeutet, daß der Mensch wieder zu diesem „nichts“ zurückkehrt oder „das Amt“ niederlegt. Der Knabe des Jasagers, der der Auf- gabe nicht gewachsen ist, muß sein Amt niederlegen und zu „nichts“ werden. Diesen Sachverhalt stellt „der Wurf ins Tal“ (so heißt Elisabeth Hauptmanns deutsche Übersetzung des No-Stücks Taniko) metaphorisch-parabolisch dar. Deshalb wird das Hinabwerfen des Knaben ins Tal nicht auf der Bühne nachvollzogen, sondern nur berichtet. Einverständnis bedeutet, daß man die kapitalistische „Tatsache“ erkennen und bejahen, und dann diese in „die kommunistische Forderung“ aufheben soll. Dieses Thema wollte Brecht in der Bearbeitung eines No-Stücks, das das Todesmotiv bietet, behandeln, aber die Motivierung des Todes durch die Religion widerspricht aufs krasseste dem Thema des Einverständnisses, das nicht den blinden Gehorsam, sondern die höchste Bewußtheit voraussetzt. Deshalb mußte Brecht später Der Neinsager als ein Gegenstück schreiben.

Wenn man den Jasager als eine Bearbeitung des No-Stückes betrachtet, ist er sehr problematisch, weil es mißlungen ist, das religiöse Todesmotiv zu modernisieren bzw. rationalisieren. Brecht hat den Jasager in der Jahreswende 1929/30 geschrieben, also vor der Maßnahme (im Frühjahr 1930 entstanden) sowie vor dem Badener Lehrstück vom Einverständnis (im Herbst 1930 entstanden). Dies Mißlingen aber scheint Brecht einen Anstoß gegeben zu haben, einerseits ein weiteres Lehrstück mit demselben Thema zu schreiben und andererseits ein Fragment gebliebenes Lehrstück (die erste Fassung des Badener Lehrstücks) zu vollenden. In diesem Sinne nimmt Der Jasager trotz seines problematischen Charakters eine wichtige Stelle ein.

 

 

Sektion A2 (5)

 

Thomas Brussigs Dramenstrategie. Zu „Heimsuchung“

SHISHIDO, Setsutaro (Waseda-Universität, Tokyo)

 

Thomas Brussig, 1965 in Ost-Berlin geboren, hat in seinen ersten drei Romanen die ehemalige DDR vor dem Mauerfall dargestellt. Sie spielen in den siebziger und achtziger Jahren, in denen der Autor selbst vermutlich gerade seine Pubertät erlebte und besonders sensibel war. In "Wasserfarben"(1991) und "Helden wie wir"(1995) werden zwar bittere Erfahrungen und Provokationen in der ersten Person erzählt, aber sein dritter Roman "Am kürzeren Ende der Sonnenallee"(1999) ist vielmehr humorvoller Natur. In diesem Roman gelingt es dem Erzähler, durch geschickte Personenbeschreibung und Entwicklung des Handlungsfadens in der dritten Person neben dem 'storytelling' auch seine Leser zum Lachen zu bringen. Gerade der Humor beugt bei Brussig einer zu großen Sentimentalität vor und verleiht seinem Erzählstil Freiheit und Lebhaftigkeit.

Brussig hat dann ein Theaterstück in Angriff genommen. In meinem Referat möchte ich das Stück "Heimsuchung"(2000) behandeln. Es spielt in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre in einer katholischen Kirche in einer hessischen Kleinstadt. In dem Stück thematisiert der Autor die aktuellen Ereignisse im Lande. Drei ehemalige Rockmusiker aus der DDR, ein Pfarrer und eine Ärztin, die den Wessi-Wohlstand demonstriert, eröffnen eine heftige Ost-West-Diskussion. 'Warum bringt ihr uns immer dazu, den Osten zu verteidigen! Ich hab den Osten gehaßt, aber wenn ihr mit eurem Halbwissen darüber redet, dann bringt ihr einen immer dazu, den Osten zu verteidigen!'

Nachdem Brussig der Liebling der Zeit geworden ist, ist er auch in der Öffentlichkeit aktiv. Seine Gerissenheit ermöglicht es ihm, sich im Meer der Informationen durch die Massenmedien frei zu bewegen. Mein Referat versucht, die vielschichtigen Aspekte der Medienwelt zu erforschen, die in dem Stück auftauchen. Dabei werden auch parallele neueste Literaturtendenzen in Deutschland und Japan berücksichtigt.

 

 

Sektion A2 (6)

 

Deutschsprachige Japan-Dramen der Barockzeit. Von „Nobunanga“ bis „Daifusama“

SCHAUWECKER, Detlev (Kansai-Universität, Osaka)

 

Der Jesuitenorden verstand seine Tätigkeit, ob in Japan oder in Europa, als Mission. Es lag daher nahe, Briefe und Jahresberichte aus Japan als Erbauungsliteratur (literae aedificantes) zu konzipieren und der Gegenreformation in Mitteleuropa nutzbar zu machen. Das Genre der Japonesen-Draman an Jesuitengymnasien war eine Frucht dieses umgreifenden Missionsvorhabens. Erhalten sind uns meist nurmehr die Programmhefte mit Quellen- und Inhaltsangabe.

Japanische Katholiken sind in diesen Schuldramen zur Fürstenpolitik, Glaubensstärkung und Jugenderziehung vorbildhafte Christen: bereit, für den Glauben, für Filialität und für den Fürstengehorsam ihr Leben zu lassen.

Der Vortrag stellt die Stückgruppe um Arima Harunobu vor. Sie ist - in Anlehung an die schwankende Gestalt des alttestamentarischen David - aus dramatischer Sicht wohl am interessantesten.

In der Tat ist auch die historische Fürsten-Figur des Arima Harunobu bemerkenswert - ebenso seine Schwiegertochter (Kunihime), die in dem Jesuitenspiel indessen zum heidnischen Kebsweib geriet.

Das Anliegen des Vortrags ist, Muster und Versatzstücke einzelner Dramenzyklen ausfindig zu machen, die auf Herstellungsverfahren und Zielrichtung dieser Schuldramen ein Licht werfen; auch sollten einzelne diskreditierte Personen wie die genannte Adoptivenkelin des Tokugawa Ieyasu rehabilitiert werden.

 

 

Sektion B1 (1)

 

Der Begriff das Fremde der StudentInnen an der Universität Anadolu

AĞAÇSAPAN, Asuman (Anadolu-Universität, Eskisehir)

 

Der Zusammenhang zwischen der Weltansshauung und dem Sprachgebrauch ist ein Untersuchungsgegenstand,der zu den interdisziplinären Fächern angehört.Aus dem Blick der Soziolinguistik will ich bei diesem Kolluqium auf das Thema eingehen. Während der Projektuntersuchung der Universität Anadolu wurde den StudentInnen folgende Frage gestellt:"Was halten Sie von dem Begriff das Fremde" 100 StudentInnen haben diese Frage geantwortet.In diesen aufgenommen Antworten wird der soziale Hintergrund nachgeforscht. Falls die Projektuntersuchung fertig gearbeitet wird, kann ich dieses Thema in weiterem Umfang Ihnen bekannt machen.

 

 

Sektion B1 (2)

 

Höflichkeit als Teil der kommunikativen Kompetenz

YAMASHITA, Hitoshi (Universität Osaka)

 

In diesem Beitrag wird versucht, einige theoretische Hintergründe der Höflichkeitsforschung zu klären und aufgrund einer empirischen Erhebung Charakteristika der deutschen und japanischen Höflichkeitsverhalten zu vermitteln.

Bei den theoretischen Hintergründen handelt es sich um die Klärung einer mangelnden Betrachtungsweise der Höflichkeit als kommunikative Kompetenz, die Darstellung des engen Zusammenhangs zwischen Höflichkeit und Ideologie und eine kritische Diskussion der Höflichkeitstheorie von Brown und Levinson. Nach einer kurzen Beschreibung der Erhebungsmethode werden die Befunde der Untersuchung dargestellt. Abschließend wird die Möglichkeit der Zusammenarbeit unter den asiatischen Germanisten zu diesem Thema in Bezug auf die Multikulturalität in Asien angesprochen.

Ich gehe davon aus, dass Höflichkeitsphänomene in jeder Gesellschaft und in jeder Sprachgemeinschaft vorkommen. Man könnte jedoch vermuten, dass man von der „asiatischen“ und auch von der „europäischen“ Höflichkeit sprechen kann, wobei es sicherlich zu berücksichtigen ist, dass es unter den „asiatischen“ Höflichkeiten neben Ähnlichkeiten auch klare Unterschiede gibt. Obwohl es eine solche Vermutung der Existenz einer „asiatischen“ Höflichkeit gibt, hat man bis jetzt nur wenige Untersuchungen zu diesem Thema durchgeführt. Vor diesem Hintergrund könnte der Beitrag vor allem für diejenigen asiatischen Germanisten von Interesse sein, die sich mit der kontrastiven Untersuchung der deutschen Sprachen und der jeweiligen einheimischen Sprachen unter soziolinguistischen Gesichtspunkten beschäftigen.

 

 

Sektion B1 (3)

 

Verbale deutsche Höflichkeitsrituale im Kontrast zu denen einer asiatischen Sprachgemeinschaft

CHANG, San-lii (Fu Jen Universität, Taipei)

 

Das für die interpersonelle Interaktion wesentliche Höflichkeitsverhalten ist sprachgemeinschaftsspezifisch geregelt. Dieser Beitrag stellt das konventionalisierte (in Abgrenzung zu dem individuellen) verbale Höflichkeitsverhalten im Deutschen dem im Chinesischen gegenüber, betrachtet seine Formen, Vorkommniskontexte, soziopsychologische Begründungen und kulturelle Implikationen. Zu dem analysierten verbalen Höflichkeitsverhalten gehören „Kontakteröffnung und Kontaktbeendigung“, „Anrede und Selbstbezeichnung“, „Bitte“, „Entschuldigung“, „Danksagung“, „Beglückwünschung“ und „Beileidsbezeigung“. Erörtert werden dabei auch mögliche Konsequenzen der analysierten Spezifik des deutschen verbalen Höflichkeitsverhaltens für interkulturelle Kommunikationspraxis und für eine interkulturelle Sprachdidaktik. Der Referent schlägt vor, als Bestandteil des Diskurses innerhalb der GermanistInnengemeinschaft Asiens eine gemeinsame kontrastive Liste des verbalen Höflichkeitsverhaltens im Deutschen gegenüber dem aller beteiligten asiatischen Sprachgemeinschaften zu erstellen.

 

 

Sektion B2 (1)

 

Über das Germanistik-Studium in der Türkei und in den U.S.A.: Eine komparatistische Vergleichung

FIRTINA, Ozlem (Anadolu-Universität, Eskisehir)

 

Die häufigsten kulturellen Unterschiede weisen sich in der Rede (Palore) und führen daher in meisten Fällen zu Missverständnissen. Studenten, die eine fremde Sprache lernen, haben - da sie unter dem Einfluss der eigenen Sprache stehen und sowie die semantischen Formen der zweiten Sprache nicht richtig begriffen haben - in der Kommunikation Probleme. Daher ist es oft der Fall, dass (viele) manche Studenten ihr eigenes sozio-kulturelles Wissen, auf die Sprache als negatives Transfer übertragen. Im Rahmen dieser Arbeit wird versucht, in wie weit die Deutsch und Englisch lernenden Studenten in der Türkei die semantischen Strukturen im Bereich der Formen „sich entschuldigen“ gelernt haben, festzustellen.

 

 

Sektion B2 (2)

 

Bedeutung des Schreibens, insbesondere kreative Verfahren, im Fremdsprachenunterricht - Anwendunsmöglichkeiten des Kreativen Schreibens auf DaF in Japan und seine Wirkungen

YAMAKI, Kimiko ( Nihon-Universität, Tokyo)

 

Schreiben ist ein Motor zur kognitiven Entwicklung und wird somit zum Werkzeug des vertieften Denkens. Durch mehrmaliges bewusstes Schreiben kann man einem Phonem zunehmend ein richtiges Graphem zuordnen. Wenn man in einer Fremdsprache etwas schreiben kann, müsste man das eigentlich auch mündlich äußern können, während die Fähigkeit zum mündlichen Ausdruck aber keinen Rückschluss auf Schreibfähigkeiten zulässt. Lesen dient als permanent begleitende Kontrollinstanz des Schreibens. Das bedeutet, wenn die Schreibkompetenz angeeignet wird, können damit auch die anderen Fertigkeiten des Hörens, Sprechens und Lesens gefördert werden.

Durch „Kreatives Schreiben“ wird versucht, die Lernenden im Vorfeld des Schreibens bei der Ideensuche zu unterstützen, sie vom Schreibdruck zu befreien und ihre Schreibhemmungen abzubauen und dadurch ihre Schreiblust zu wecken. Kreatives Schreiben bietet ihnen die Möglichkeit, durch ihre eigene Initiative mit Hilfe ihrer gewonnenen Schreibkonventionen der Fremdsprache und dazu noch aktivierter Schreibtechniken einen ideen- und inhaltsreichen Aufsatz kreativ zu produzieren und darüber hinaus ihren produzierten Text selbst in Ruhe zu überprüfen und zu korrigieren und sogar auch stilistisch zu überarbeiten.. Für die japanischen Deutschlernenden besteht die Bedeutung des „Kreativen Schreibens“ vor allem darin, dass sie aktiv Initiative ergreifen sollen, um ihre Ideen zu generieren und ihre Meinungen zu bilden und einen sorgfältigen Schreibplan zu entwerfen. Eine besonders große Bedeutung ist der in Japan selten praktizierten Anleitung beizumessen, dass den japanischen Lernenden in der Lehr-Lern-Interaktion vermittelt wird, wie die gesammelten Ideen und Meinungen zu einem kohärenten Text logisch strukturiert und die Schreibprodukte weiterhin unter kritischen Augen überarbeitet werden .sollen. Dadurch können die Lernenden eventuell zum kritisch- argumentativen Denken, das in dieser globalisierten Welt erforderlich ist, trainiert werden.

 

 

Sektion B2 (3)

 

Semantische Überlegungen zu den kausativ-inchoativen Alternationen bei den Zustandsveränderungsverben der deutschen Sprache

KANG, Minkyeong (Fremdsprachenhochschule Tokyo) 

 

Im Mittelpunkt meines Beitrags stehen die kausativ-inchoativen Alternationen bei den deutschen Verben mit Zustandsveränderungen. Während in der englischen Sprache nur die transitiv-intransitive Variante vorhanden ist, gibt es in der deutschen Sprache daneben noch die transitiv-reflexive Variante. Ich interessiere mich besonders für die semantischen Unterschiede zwischen den transitiv-intransitiven Verben und den transitiv-reflexiven Verben, die die kausativ-inchoative Alternation aufweisen.

Weiterhin gibt es Substantive, die nur als Objekte der transitiven Konstruktionen, nicht aber als Subjekte der intransitiven Konstruktionen auftreten können. Dabei kommt es auf die Verbindung bestimmter Substantive mit bestimmten Verben an. Mein Interesse richtet sich auch darauf, mit welchen Substantiven die Alternation möglich ist bzw. nicht möglich ist.

Auf methodischer Ebene entschied ich mich für eine Korpusanalyse, da sie den Vorteil bietet, den aktuellen Kommunikationskontext in die Untersuchung miteinzubeziehen.

Eine Korpusanalyse führte zu folgenden Beobachtungen: Es lassen sich enorme Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit des transitiven und intransitiven/reflexiven Gebrauchs der kausativ-inchoativen Verben beobachten. Interessanterweise zeigte sich auch, dass nur wenige Substantive sowohl als Objekte der transitiven Konstruktionen als auch als Subjekte der intransitiven oder reflexiven Konstruktionen fungieren können. Es scheint sich anzudeuten, dass sich bei den transitiv-intransitiven Verben unterschiedliche Sachverhalte ausmachen lassen, je nachdem ob eine Zustandsveränderung kausativ oder nicht-kausativ ausgedrückt wird. Demgegenüber scheint die kausativ-inchoative Alternation bei den transitiv-reflexiven Verben benutzt zu werden, um dieselben Sachverhalte aus einer anderen Perspektive darzustellen.

 

 

Sektion B2 (4)

 

Sensationsschema und Aktionsschema ― aus typologischer Sicht

OZONO, Masahiko (Universität Shimane)

 

In diesem Referat werden zwei kontrastive Schemata, „Sensationsschema“ und „Aktions-schema“ (im kognitiv-linguistischen Sinne) behandelt. Ihnen liegen nach Ikegami (1994, 2002) zwei Aspekte „Agens“ und „Sentient“ zugrunde. Es wird diskutiert, wie die beiden Schemata in der deutschen Sprache angewandt und erweitert werden.

Sensationsschema Aktionsschema

                Sensationsschema                   Aktionsschema

                ZIEL         QUELLE              QUELLE            ZIEL

                (Mensch)                             (Mensch)

                   ↓                                        ↓

                Sentient                                Agens

Vgl. Ikegami (1994, 2002)

Dabei werden unter anderem das sog. bekommen-Passiv und die Resultativkonstruktion im Deutschen behandelt. Die beiden Konstruktionen besitzen zunächst scheinbar wenige Beziehungen zueinander, ihr Subjekt ist jedoch in beiden Fällen generell eine „Person“ und hieraus ergibt sich eine interessante sprachtypologische Perspektive. Untersucht wird, wie eine „Person“ und ein unabhängiger „Sachverhalt“ im sprachlichen Kontext zueinander in Beziehung gesetzt werden. In diesem Zusammenhang bietet das Japanische interessante Vergleichsmöglichkeiten, zu denen das Deutsche einen deutlichen Kontrast bildet.

Aufgezeigt werden soll, dass Einzelsprachen in Bezug auf die Anwendung und Erweiterung der beiden oben genannten Schemata unterschiedliche Neigung bzw. Präferenz haben.

 

 

Sektion B2 (5)

 

Die Experiencerkodierung im Deutschen und Japanischen

SEINO, Tomoaki ( Universität Chiba )

 

In diesem Vortrag geht es um eine typologische Untersuchung von Experiencer im Deutschen und im Japanischen. Im Deutschen wird der Experiencer im Regelfall als Verbargument realisiert, während er im Japanischen zum Satz hinzugefügt wird, ohne vom Verb verlangt zu werden. Den deutschen Sätzen „Das Wasser ist kalt“ und „Mir ist kalt“ liegt das gleiche Adjektiv zugrunde, das sowohl zur objektiven Beschreibung eines Sachverhalts als auch zum Ausdrücken eines subjektiven, physischen Zustandes benutzt wird. Die Kodierung des Experiencer ist hier die Voraussetzung für die subjektive Lesart. Im Japanischen finden sich oft Paare von „objektiven“ und „subjektiven“ Adjektiven, z. B. „tsumetai“ und „samui“, und in letzteren wird der Sprecher (erste Person) als Experiencer interpretiert, so dass diese Kodierung auf der Satzebene nicht obligatorisch ist. Diese unterschiedliche Kodierung des Experiencer findet man auch in vielen anderen Bereichen der Syntax der beiden Sprachen. Dieser Vortrag soll zeigen, dass der Begriff „Experiencer“ die „fashion of languages“ klar beschreibt.

 

 

Sektion B2 (6)

 

Wie ist der bestimmte Artikel entstanden? Und die Präpositionen?

TETSUNO, Yoshisuke ( Keio-Universität, Tokyo )

 

 Hiermit werde ich erklären, wie der bestimmte Artikel und die Präpositionen entstanden sind. Seit langem beschäftige ich mich mit einer Hypothese, dass die Sprachen im frühesten Stadium das Verb am Satzende gehabt haben müssen (O-V Typ). Meiner Meinung nach kann die Stellung des Verbs (durch dessen Voranrückung) die Entstehung des Artikels und der Präpositionen bewirkt haben, was mit dem Übergang vom synthetischen zum analytischen Sprachbau parallel verläuft.

 Meine Hypothese würde sich auf die Sprachen allgemein anwenden lassen, aber hier möchte ich sie mit einigen - als Reste des früheren Stadiums zu betrachtenden - Konstruktionen (meistenteils im modernen Deutschen) überprüfen.

 Durchs kontrastive Vergleichen des Gotischen mit dem Griechischen des Neuen Testamentes, des Althochdeutschen mit dem Lateinischen, sowie des Deutschen mit dem Japanischen, Koreanischen, Türkischen, Mongolischen usw. (alle O-V Typ) würde man manches feststellen, was meine Hypothese untermauern könnte.

Beim Unterrichten des Deutschen mache ich sehr oft von den Infinitiv-Phrasen Gebrauch, die am Ende mindestens einen Infinitiv haben, weil man das Deutsche in der Form der Infinitiv-Phrasen sehr gut mit dem  Japanischen vergleichen kann. Ich bezeichne die Infinitiv-Phrasen als Vorstufe der Sätze.

(Im Wörterbuch findet man auch sehr viele Infinitiv-Phrasen:z. B. j-em etwas geben, j-em ähnlich sein,auf j-en warten, usw.)

 

 

Sektion C (1)

 

Interkulturarität: Verlorene Illusionen?

LEHMANN, Hans-Thies (Universität Frankfurt )

 

Als Theaterwissenschaftler und Komparatist werde ich im Kontext der JGG versuchen, die folgenden Probleme zu erörtern:

 

  1. Aus kunsttheoretischen und politischen Erwägungen heraus ist scharfe Kritik an der Praxis des interkulturellen Theaters und an der Verwechslung von Ikonophilie mit interkultureller Verständigung geübt worden. In Robert Wilsons Theater und nach ihm auch bei deutschen Theaterleuten spielen Elemente des asiatischen Theaters eine wichtige Rolle. Wie ist diese „interkulturelle“ Theaterästhetik zu interpretieren? Welche Konzepte der Interkulturalität erlauben es, Illusionen der interkulturellen Kommunikation zu vermeiden, ohne in regionalistische Borniertheit zu verfallen)?
  2. Das gegenwärtige europäische experimentelle Theater entwickelt ganz neue Formen des Umgangs mit den Texten der deutschen und europäischen literarischen Tradition. Es betont in paratheatralischen Aktionen die nicht-„künstlerische“ Seite des Theaters. Zudem stellt es (schon seit Artaud) die amerikanisch-europäische Kultur, u.a. das "dramatische Theater", radikal infrage. Welche Chance eines produktiven Austauschs mit anderen Theatertraditionen ergeben sich für postdramatische Theaterpraxis? (Beispiele: René Pollesch, Wanda Golonkas Theater mit Texten von Heiner Müller und Sarah Kane)

 

 

Sektion C (2)

 

Vom Kunstwerk zum „Workshop“ oder (Dis)kommunikative Bedeutungen der „Lear“-Aufführung von asiatischen Schauspielern

YAMASHITA, Yoshiteru (Chiba-Shoka-Universität, Chiba)

 

In diesem Vortrag wird versucht, über die Bedeutung einer multikulturell- internationalen Theateraufführung zu reflektieren, die erst September 1997 in Tokyo stattfand und nach Osaka, Fukuoka, Hong Kong, Singapur, Jacarta und Perth reiste und dann 1999 auch im Haus der Kultur der Welt in Berlin gastierte. Bei der Aufführung handelt es sich um Shakespeares „Lear“, dekonstruiert von der japanischen Dramatikerin Rie Kishida und inszeniert von Ong Keng Sen(Singapur) mit Schauspieler(inne)n aus sechs asiatischen Ländern.

Bei der Analyse gehe ich davon aus, dass es für Theatermacher in Asien drei wichtige Formen der Beschäftigung mit den westlichen Dramentexten geben kann. Die erste ist die Rezeption, die z. B. in Japan mit den Strebungen der Begründern von shin geki (Neuem Drama) ca. 1910 anfing und auch noch heute immer dann fortgesetzt wird, wenn eine „werktreue“ Inszenierung anvisiert wird. Dagegen kennzeichnet sich die zweite Form als die aktive Aneignung, die an den avantgardistischen Kontextualisierungen der Originaltexten für die Expression eigener Probleme einzelner asiatischen Gesellschaften gesehen wird. Nun kann die dritte Form als die Entwicklung oder Erweiterung der zweiten Form auf die Ebene der internationalen Koproduktion verstanden werden. Ich möchte diese dritte Form als die kooperative Ausnutzung nennen.

Ong Keng Sen nutzt Shakespeares „Lear“ für die interasiatische theatralische Kommunikation aus. Bemerkenswert ist dabei, dass der Workshop als der Prozess des „Makings“ wichtiger als der Zuschauereffekt wird: für die Zuschauenden bedeuten manche Aspekte der Aufführung eher Diskommunikationen. Erst diese Störung veranlässt sie jedoch, mit Hilfe der veröffentlichten Materialen die Erinnerung an die Aufführung zur eigenen Interpretation weiter zu entwickeln.

 

 

Sektion C (3)

 

Postdramatische Wende im japanischen Kontext

NIINO, Morihiro (Rikkyo-Universität, Tokyo)

 

Hans-Thies Lehmann thematisiert „Postdramatische Wende“, unter der ein paradigmatischer Wechsel im europäischen Theater um 1980 zu verstehen ist. In dem neo-avantgardistischen Aufbruch in den 60er und 70er Jahren seien der einheitstiftende Konnex zwischen dem Text und dem auf ihm basierenden theatralen Ausdruck noch erhalten. Verknüpft mit der politischen Rhetorik sei die Emanzipation der visuellen Semiotik des Theaters doch noch begrenzt geblieben. Erst seit Anfang der 80er Jahre realisierten bedeutende Regisseure wie Klaus Michael Grüber, Ariane Mnouchkine und Peter Stein auf unterschiedliche Weise grosse Tableaux. Damit hätte eine neue postdramatische Ära begonnen.

In meinem Referat wird zuerst die Wende im japanischen Theater in den 60er und 70er Jahren skizziert, die im Gegensatz zu dem links orientierten Sprechtheater eine die Präsenz des Körpers betonende Darstellungsweise entwickelten. Diese Wende umschloss Theaterformen wie Buto, Theatergruppe wie SCOT und Regisseure wie Terayama und Kara. Gleichzeitig zielten sie darauf ab, das Theater aus dem Vorbild des europäischen Dramas zu befreien und ihre eigene kulturelle Existenz zu präsentieren. Diese der Modernisierung widerstehende Darstellungsweise gab den in den 80er Jahren debütierenden Regisseuren wie Noda und Kogami zwar die Möglichkeit, aus ihrem alltäglichen Milieu wie Film, Musik und Mode verschiedene Texte und Bilder zu montieren. Sie zielten aber nicht darauf ab, den Modernisierungsprozess auf der Bühne zu thematisieren, sondern ihre Praxis nur im Kreis ihrer Generation vorzustellen. Hier möchte ich zeigen, dass die Wende im japanischen Theater um 1980 keine postdramatische, sondern ein auf dem Milieu in der Medienkultur begrenzter privater Ausdruck ist. Erst seit den 90er Jahren thematisieren einige Tanz- und Performancegruppen wie Kaitaisha, Teshigawara und dum type wieder die Konfrontation mit der Modernisierung.