Bericht über das 23. DaF-Seminar (E. Bachmaier) [D]   作成日:2018/07/05
Mittwoch, 21. März, 14 Uhr, Hayama, Japan: Es schneit dicke Flocken wie im tiefsten Winter. Die ersten Teilnehmerinnen und Teilnehmer stapfen zum International Productivity Center. Ihr Ziel: Das 23. DaF-Seminar der JGG, das, wie jedes Jahr vom DAAD finanziell unterstützt, dort stattfinden wird. Es sollten 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden. Ich war eine von ihnen. Und auch wenn wir, uns den Schnee von den Kleidern klopfend, miteinander nur wissenschaftlichen Smalltalk austauschten, waren sich viele von uns schweigend über ein weiteres Ziel einig, das sie in den folgenden Tagen erreichen wollten: Der Anblick des Fuji.
Bei gutem Wetter ist er malerisch am Horizont zu sehen, aber angesichts des Schneetreibens mitten im Frühling schwand unsere Hoffnung für das diesjährige Seminar, zumindest was die Bergsicht anging. Hoffnungsvoll waren wir jedoch sehr, was das Rahmenthema betraf, denn das lautete: „Gesprochene und geschriebene Alltagssprache in der Forschung und im DaF-Unterricht“ Alltagssprache: Passt, dachte ich. Ich spreche. Viel. Und das auch im Alltag!

Wie man Alltagsprache (vielleicht nicht unbedingt die eigene) beforschen und auch in den DaF-Unterricht einbauen kann, dazu gab uns Herr Prof. Dr. Wolfgang Imo von der Universität Hamburg sowohl theoretisches Hintergrundwissen als auch praktische Anregungen.

Nach unserer Ankunft am Nachmittag des 21. März, stellte er uns verschiedene Korpora und Datenbanken vor, mit denen wir uns – satt nach dem Abendessen – im anschließenden Workshop genauer beschäftigen konnten.

Den zweiten Tag, traditionellerweise der längste Tag des Seminars, holte sich der angehende Frühling zurück und brachte etwas Sonnenschein. Oder besser: Die Sonne war ab und zu am scheinen. Falsch? Nein, nicht wirklich! Es ist die deutsche Verlaufsform, bzw. eine vor allem in der gesprochenen Sprache verwendete Art, den Aspekt im Deutschen auszudrücken: Mit Hilfe von Beispielen aus authentischen Dialogen einer weiteren Datenbank wurden die verschiedenen Aspektmarkierungen im Deutschen analysiert.

Auch in der Kaffeepause zeigte sich der Fuji leider immer noch nicht. Herr Imo schien ein wenig enttäuscht und auch wir fürchteten, der Berg würde bis zum Ende des Seminars hinter einem Dunst- und Wolkenschleier verborgen bleiben.

Im anschließenden Workshop war die Enttäuschung schnell über die Beschäftigung mit Redeanführungen sowie Matrixsätzen vergessen und wir arbeiteten weiter mit Aufnahmen authentischer Gespräche deutscher Muttersprachler aus den Datenbanken.

In der Kaffeepause fanden sich viele im Nebenraum ein, um die Poster der Forschungsgruppe DSTY („Schreibkompetenz an der Deutschen Schule Tokyo Yokohama im internationalen Vergleich“) sowie von Maria Gabriela Schmidt („Widerstand und Beteiligung - Reaktionen auf fremdsprachliche Anforderungen von Studierenden“) anzusehen und sich näher erläutern zu lassen.

Mit neuen Erkenntnissen im Kopf und Koffein im Blut lauschten wir den ersten Teilnehmervorträgen: Nicole Schumacher und später auch Makiko Hoshii stellten uns eine interessante Zusammenarbeit zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin und der Waseda Universität in Tokyo vor, in deren Zuge die Erwerbsstufen und Entwicklungen in der Fremdsprache Deutsch bei japanischen Lernenden analysiert werden. Das Hauptaugenmerk von Frau Schumacher lag auf der Elizitierung – also Anregung - mündlicher Lernersprache und deren wissenschaftlicher Analyse. Makiko Hoshii gab uns einen Einblick in die Entwicklung syntaktischer Strukturen in der gesprochenen Lernersprache Deutsch mit besonderem Fokus auf die Verbstellung und Vorfeldbesetzung.

Im Anschluss beschäftigten wir uns zusammen mit Mi-Young Lee, die extra aus Korea angereist war, mit der Klammerkonstruktion im Deutschen. Sie interpretiert Klammerstrukturen als Distanzstrukturen und beleuchtete sie psycholinguistisch und informationsstrukturell.

Zusammen mit unserem koreanischen Gast, Frau Prof. Dr. Okseon Kim, reflektierten wir am Abend die Rolle der Interaktion im Fremdsprachenunterricht.

Der dritte Tag, Freitag, begann sonnig und mit dem üblichen Frühstücksbuffet. Dann ging es im dritten Vortrag und dem anschließenden Workshop von Herrn Imo um die informelle geschriebene Sprache und darum, wie man z. B. mit WhatsApp- oder SMS-Dialogen im DaF-Unterricht und/oder sprachwissenschaftlich arbeiten kann.

Der Vormittag hielt dann noch eine schöne Überraschung bereit: Ich – und vielen Mitteilnehmern wird es wohl ähnlich gegangen sein – hatte es schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt, aber vor dem Mittagessen lüftete sich der Wolkenschleier im Westen, um den Blick auf den schneebedeckten Fuji freizugeben. So versammelten sich viele in der Vortragspause, Herrn Imo eingeschlossen, auf der Terrasse um den Moment hastig mit dem Handy festzuhalten – immer in Sorge, der Berg würde sich jeden Moment wieder unseren Kameralinsen entziehen, was er schließlich auch beleidigt tat. Wir waren dennoch glücklich und widmeten uns konzentriert wieder dem wissenschaftlichen Austausch.

Den Abschluss des Tages bildeten die Teilnehmervorträge von Shinichi Sakamoto, der uns eine linguistische Analyse zu Prosodie und konventionellen Strategien im Prüfungsbereich vorstellte, Olga Czyzak, die die sprachliche Entwicklung im inhaltsbasierten Anfängerunterricht beleuchtete und Nancy Yanagita. Sie stellte ihr Forschungsprojekt zum Thema: „Authentischere Sprache im DaF-Unterricht mit Sprachenportfolios“ vor. Auch diese Vorträge waren sehr informativ und regten uns Zuhörende zum Nachdenken und Reflektieren an, denn im Anschluss wurden munter Fragen gestellt und diskutiert.

Und eh wir uns versahen, neigte sich der Freitag und auch das Seminar bereits dem Ende zu. Einem furiosen Ende allerdings: Gefeiert wurde bei einer breiten Auswahl an Speisen und Getränken; mit großen Danksagungen und der ein oder anderen Träne der Rührung im Auge. Wie jeden Abend ging es dann bei interessanten Gesprächen und Getränken in der Lounge weiter. Und apropos Danksagung: An dieser Stelle auch von Teilnehmerseite her ein herzliches Dankeschön dem wunderbaren Organisationsteam. Unter der Leitung von Fujiko Ogasawara sorgten Ralph Degen, Wieland Eins, Angela Lipsky, Katrin Niewalda, Yoshiko Nishide, Shinichi Sakamoto und Nancy Yanagita für den angenehmen und reibungslosen Ablauf des Seminars. Tatkräftig unterstützt wurden sie dabei von Jennifer Populari. Man kann sich wohl nur annähernd vorstellen, was die Organisation einer solchen Veranstaltung an Aufwand bedeutet…

Am letzten Tag des Seminars fanden wir uns dann eher weniger als mehr ausgeschlafen nach dem Frühstück wieder im Seminarraum ein, um einem Vortrag von Maria Gabriela Schmidt zu lauschen, die uns von einem laufenden Forschungsprojekt zur Linguaculture berichtete.

Im anschließenden Forum suchten wir in Gruppen nach konkreten Ideen zur Didaktisierung bzw. zu einem Forschungseinsatz der von Herrn Imo vorgestellten Korpora und tauschten unsere Ergebnisse aus.

Rechtzeitig zum Start des neuen Unijahres konnten sich die Teilnehmenden des DaF-Seminars also wieder neue Anregungen für Forschung und Unterrichtspraxis holen sowie sich mit bekannten und neu kennengelernten Kolleginnen und Kollegen austauschen. Mich persönlich beeindruckten die von Herrn Imo vorgestellten Korpora aus authentischen gesprochenen und geschriebenen Dialogen sehr und ich kann mir einen Einsatz im Unterricht z.B. bei Höraufgaben für fortgeschrittene Lernende oder auch eine Analyse von WhatsApp-Dialogen nach umgangs- und alltagssprachlichen Phänomenen gut vorstellen. Auch die Möglichkeiten, diese Korpora zu beforschen sind sehr vielfältig. Die Teilnehmervorträge gaben mir ebenfalls viele neue Eindrücke, welche Facetten authentische Sprache in Unterricht und Forschung annehmen kann und wie wichtig es ist, diese als Lehrkraft zu berücksichtigen.

Mit solchen Gedanken und vielen weiteren Ideen im Kopf machten wir uns auf den Heimweg und verabschiedeten uns: „Bis nächstes Jahr!“

Elvira Bachmaier (Reitaku Universität)