第44回ドイツ文化ゼミナール開催のお知らせ 参照数:4661 |
2001年5月11日
Kulturwissenschaft als Provokation der Literaturwissenschaft
Das Tateshina-Symposion kann sich als japanisches Forum zur deutschen Literatur und Literaturwissenschaft auf eine beachtliche Tradition berufen. Der Rückblick auf die letzten Jahre aber läßt die Tendenz erkennen, den Kreis der Themen immer weiter zu ziehen und germanistische Beschränkungen auf literarische Epochen, Gattungen, Autoren aufzuheben. Zeigt diese Tendenz einen Strukturwandel an, der auf ein sich änderndes Selbstverständnis der japanischen Germanistik schließen läßt? Einen Paradigmenwechsel, der sich in den philologischen Disziplinen insgesamt und überall durchsetzt? In der Tat ist Neuorientierung in den Geisteswissenschaften inzwischen zur Dauerforderung geworden: zuerst im Vertrauen auf Semiotik und Kommunikationstheorie, zuletzt im Namen von Medientheorie und Kulturwissenschaft. "Cultural Studies" erscheinen als aktuellste Provokation: so unscharf "wissenschaftlich" ihre Definition sein mag, so mächtig wirkt doch ihre Anziehungskraft gerade auf Literaturwissenschaftler. Ihr Pluralismus der Gegenstände und Methoden verspricht eine umfassende Vermittlung von Text und Wissenschaft, Erfahrung und Geschichte. Kulturwissenschaft muß dabei nicht zur neuen Über-Wissenschaft werden, sie kann auch "nur" als dynamischer Impulsgeber für die Nachbardisziplinen fungieren. Bedeuten solche Impulse eher Rettung oder Krisenverschärfung für die Germanistik? Können sie unser Fach neu aktivieren oder werden sie es zusätzlich lähmen? Diese Fragen sollen auf dem 44.Tateshina-Symposion verhandelt werden.
Am Anfang steht der Versuch, uns über den diffusen Begriff der "Kulturwissenschaft(en)" zu verständigen. Kulturwissenschaft hat weltweit Konjunktur, besitzt neuerdings Leitfunktion für die Geistes- und Humanwissenschaften. Auch "Kultur" als Gegenstand und Begriff erscheint vieldeutig, verdient deshalb in dieser ersten Annäherung thematisiert zu werden.
Welche Quellen besitzt nun die Kulturwissenschaft? Der Siegeszug der "Cultural Studies" ging von England (Birmingham) aus, entfaltete durch die allgemeine Demokratisierung des Kulturverständnisses nach amerikanischem Muster seine besondere Dynamik. Deutschland jedoch kennt eine eigene Geschichte der (philologischen) Kulturwissenschaft, die schon seit Herder den (problematischen) deutschen Sonderweg begleitet: Kanonische Werke (Goethe!) sollten dabei die pädagogische Norm der nationalen "Leitkultur" liefern.
Weil Kulturwissenschaft sich kaum auf eine einheitliche Theorie zurückführen läßt, eröffnet sie auch pluralistisch verschiedene Zugänge zu einer kulturwissenschaftlich betrachteten Literatur. Kulturhermeneutik und Kultursemiotik, die "Kultur als Text lesen" lehren, bieten z.B. vielfältige Anschlüsse an Philologie und Literaturwissenschaft. Die meisten japanischen Germanisten (Philologen!) sind mit neuerer Kulturwissenschaft wenig vertraut: Überzeugende Beispiele und Exempel der "neuen" Verfahrensweisen können helfen.
Am Ende des Symposions bleibt zu fragen, ob und wie Kulturwissenschaft (und falls: welche?) unser fremdsprachenphilologisches Fach ablösen kann, ob und wie sie es verändern kann, ob und wie sich beide vielleicht produktiv ergänzen können usw.
Prof. Dr. Hartmut Böhme ist Professor für Kulturtheorie und Mentalitätsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Kulturtheorie und Kulturgeschichte, Literaturgeschichte seit dem 18. Jahrhundert, Historische Anthropologie, Geschichte der Natur seit dem 18.Jahrhundert.
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